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Westerende

Die Gemeinde Westerende wurde mit Wirkung vom 1. Juli 1972 durch ein Neugliederungsgesetz aufgelöst und mit vier weiteren Gemeinden zur neuen Gemeinde Großheide zusammengeschlossen. Das Gemeindegebiet umfasst den heutigen Ortsteil Westerende. Dem 1972 erschienenen Buch 'Panorama Landkreis Norden’ von Karl Leiner wurde folgendes entnommen:

Westerende

Wappen WesterendeIn blauem Feld ein goldener hölzerner Pflug mit silberner Pflugschar, im rechten Obereck begleitet von einem goldenen sechszackigen Sporenrad.

Da die Gemeinde verhältnismäßig jung ist und keine historischen Besonderheiten aufzuweisen hat, schlug sie zur Symbolisierung des Ackerbaus dieses Wappenbild vor. Das Sporenrad und die Farben Blau – Gold zeigen die Zugehörigkeit der Gemeinde zum Landkreis Norden.

Westerende: Gemeinde. 570 Einwohner. Größe: 890 ha. Gemeindeverwaltung, Polizeistation und eine zweiklassige Volksschule am Ort. Die gesamte Gemeinde ist evangelisch-lutherischer Konfession.

Westerende verdankt seinen Namen der Lage der Gemeinde westlich des Kirchspiels Arle, zu dem es von jeher gehörte. Die beiden großen Bauernschaften Schleen und Terhalle werden bereits mit der Einführung des Christentums erwähnt. Sie sind die ältesten Ortsteile der Gemeinde.

Nach dem ältesten „Schatzungsregister“ Ostfrieslands, dem des Amtes Berum von 1552, wird urkundlich die Stärke der Gemarkungen wie folgt angegeben:

  • Westerende mit 13 Herdstellen
  • Schleen (In der Solenn) mit 16 Herdstellen
  • Terhalle (Up ter Hallen) mit 14 Herdstellen

Diese 3 Gemarkungen wurden später unter dem Namen Westerende zusammengelegt und bilden seitdem eine Gemeinde. Der älteste vorgeschichtliche Teil von Westerende ist der Ortsteil Brande, auf dessen Flurstück „Heidendoom“ Steinbeile, Urnenscherben und dgl. gefunden wurden. Der Name Heidendoom dürfte wahrscheinlich auf die in der Frühzeit getätigten Leichenverbrennungen hinweisen, da mit der Einführung des Christentums die Erdbestattungen eingeführt wurden. Das später hier in der Nähe erbaute Kloster Coldinne hat dann vermutlich diesem Flurstück den Namen Heidendoom gegeben.

Ebenso haben die alten Flurnamen wie Conrebbershörn, Börg und Jackenbarg ihre geschichtliche Bedeutung. In Anlehnung an die Feiern der heidnischen Zeit werden alljährlich in Conrebbershörn (König-Radbod-Hörn) gewaltige Osterfeuer abgebrannt. König Radbod (friesisch auch Redbad genannt) war um 700 der Gründer des friesischen Großreiches, das unter seiner Regierung erstmals politisch in die Geschichte Europas verwickelt war.

Im Jackenbarg werden bei der Bearbeitung der Äcker immer noch große, ungebrannte, luftgetrocknete Steine gefunden. Sie lassen vermuten, daß an dieser Stelle wahrscheinlich eine Burg gestanden hat. Ebenso weist der Dullart (großes Wasser) auf diese Vermutung hin, da an seiner Grabenkante Reste eines alten Burggrabens entdeckt wurden.
Der Flurnamen Börg ist anscheinend von Burg abgeleitet und kann mit den Funden im Flurstück Jackenbarg in Verbindung gebracht werden. Im Westerender Hammrich liegt der Bauernhof „Kantjeburg“. Die Bedeutung diese Namens wird dahin ausgelegt, daß der Bauernhof, als die Abwässerung noch zu wünschen übrigließ, bei Regenfällen oft unter Wasser stand und nur mit einem Kahn zu erreichen war.

Soviel zur Vorgeschichte dieser Gemeinde. Am Schleener Weg, ein wenig abseits der alten Heerstraße, stand noch vor rd. 20 Jahren ein kleines, unansehnliches Häuschen. Das strohgedeckte, verwitterte Dach und die schiefen Mauern ließen unschwer auf das Alter dieser 4 x 6 m großen Hütte schließen. Der kleine Anbau diente als Schlafstätte. Mit dem Abbruch der alten Lehmhütte ging gleichzeitig ein Stück „Alt-Westerende“ verloren. Die Hütte ist in die Geschichte der Gemeinde als erste Schule eingegangen – im Volksmund weithin als „Lüttje School“ bekannt.

1820 erbaut, war damit die Schulgemeinde Schleen Wirklichkeit geworden, den Kindern dadurch der weite Schulweg nach Arle erspart. Der alten Generation des Ortes wurde darin noch das Abc gelehrt. Nur wenig Platz war in dem kleinen Raum, in dem im Winter ein offener Herd wohltuende Wärme ausstrahlte. Dichtgedrängt saßen die Kinder in den Bänken zusammen. Sie waren in allem sehr genügsam. Der erste „Unterrichter“ an dieser Schule war der pensionierte Gendarm der Gemeinde, der bei den hannoverschen Kürassieren gedient hatte und sich Ebeling nannte. Von den Eltern der Kinder für dieses Amt „gewählt“, wirkte der „Kürassier und Gendarm a.D.“ 8 Jahre lang an dieser Schule und wurde später von dem Lehrer Brandenburg, der 47 Jahre in der Gemeinde unterrichtete, abgelöst. 1858 mußte die alte, baufällige Schule einem Neubau Platz machen, in dem bis 1953 ungefähr 100 Jahre unterrichtet wurde. Die zunehmende Bevölkerungsdichte in der Gemeinde machte im gleichen Jahr den Neubau einer zweiklassigen Schule erforderlich.

Von der Entwicklung der Gemeinde zeugen folgende Angaben, die der Chronik Westerendes entnommen wurden. 1843 waren am Ort ansässig: 1 Krögner, 1 Krämer, 1 Grobschmidt, 1 Bäcker, 1 Schankwirt, 2 Zimmerleute, 1 Schuster, 1 Weber, 1 Schneider. Nebenberuflich tätig waren noch 1 Dachdecker, 1 Korbmacher und 1 Klumpenmacher.

Westerende ist 890 ha groß und zählt 577 Einwohner. An den Fernverkehr ist der Ort durch die Landesstraße 6 angeschlossen. Buslinien ermöglichen die Anreise über Hage nach Norden und ebenso auch nach Emden. Gutausgebaute Wege innerhalb der Gemeinden stellen die Verbindungen zu den Nachbarorten her. Die Gemeindeverwaltung und die Polizeistation sind am Ort. Die Kinder werden anfangs in der zweiklassigen Grundschule in Westerende unterrichtet und wechseln später zur Mittelpunktschule in Großheide über. Eine Gemeindebücherei ist vorhanden.

Westerende ist ein am Geestrand gelegenes Bauerndorf, das 40 % Sandboden und ungefähr 60 % Marschboden aufweist. Diese günstigen Bodenverhältnisse geben in der Landwirtschaft gute Erträge her. Besonders bekannt ist der Ort durch seine Viehzucht, der in ganz Ostfriesland starke Beachtung geschenkt wird. Die Gemeinde hat in jüngster Zeit ein 4 ha großes Gelände (ehemalige Kiesgrube) aufgekauft und beabsichtigt, dort einen Turnier- und Kinderspielplatz anzulegen. Außerdem soll der bereits im Gelände vorhandene Teich als Fischteich aufgewertet werden.

Verschiedene größere und kleinere Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe beleben den Arbeitsmarkt. Eine Nebenstelle der Kreis- und Stadtsparkasse Norden ist am Ort.
Der Fremdenverkehr hat auch in Westerende Fuß gefaßt, so daß in kommender Zeit auch auf diesem Sektor eine weitere Belebung der heimischen Wirtschaft zu erwarten ist.
Wohn- und Siedlungsmöglichkeiten sind vorhanden.

Karl Leiner: Panorama Landkreis Norden
Copyright 1972 by Landkreis Norden
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Landkreises Aurich